Sonntag, 4. September 2016

Datenschutz - Placebo für Habenichtse

Reihe: Der Anderen Meinung
- Die Wahrheit liegt stets in der Mitte


Datenschutz ist des Thema der Wahl, von solch überragender Bedeutung, dass selbst elementare langjährige Beziehungen zu befreundeten Staaten in Frage gestellt werden und die Gewichtigkeit dieser Aufgabe es sogar mit den Gefahren des zunehmenden Terrorismus aufnehmen zu können scheint. Dabei geht es nicht um die klassischen Gebiete des Datenschutzes wie auf Regierungs- und Verwaltungsebene vor eigentlicher Spionage oder auch vor Industriespionage. Kerngebiet des Datenschutzes ist eigentlich der Schutz des einfachen Bürgers davor, durch die Industrie, andere Mächte oder von wem auch immer ausgeforscht zu werden. Rainer Logos veröffentlicht in seinem Blog RL Recherchierte Lügen hierzu die Ergebnisse einer neuen schottischen Studie, die zu einem ernüchternden Ergebnis dieser vermeintlichen Gefährdung des kleinen Mannes kommt.


Datenschutz - Placebo für Habenichtse


Prof Dr. Iwan Raskolnjew steht dem wissenschaftlichen Institut SST Sicherheit System Theorie in Edinburgh, Schottland vor und hat zusammen mit seinen Mitarbeitern eine Studie zur Relevanz von Datensicherheit herausgebracht, die zu dem nicht nur viel beachteten, sondern auch besonders in Europa heftig attackierten Ergebnis kommt, dass weite Bereiche vor allem europäischer Sicherheitspolitik, wie sie sich in vielen Gesetzen und Einrichtungen zum Datenschutz niederschlägt, in ihrer Bedeutung weitgehend irrelevant seien und sich allenfalls als Placebo für Habenichtse, so lautet einer seiner provokanten Thesen, rechtfertigen ließen.

RL:         Herr Professor Raskolnjew mit Ihrer neuesten Untersuchung haben Sie sehr viel Staub aufgewirbelt und Ihnen wird vorgeworfen, die Würde der einfachen Menschen durch den Dreck zu ziehen, wenn Ihre Studie deren Belange zur Sicherheit ihrer persönlichen Daten in Abrede stellt und die Maßnahmen zu deren Sicherung gar als soziales Placebo zur Verniedlichung ihrer Bedeutungslosigkeit anprangert.

Prof. Raskolnjew:           Ich bin Wissenschaftler und allein der Wissenschaft verpflichtet, nicht aber den Leuten, über die wir forschen, auch wenn sie vielleicht unsere Arbeit über ihre Steuern, wenn sie solche überhaupt zahlen, mitfinanzieren. Meinen Eid habe ich darauf geleistet, ihnen trotzdem die Wahrheit zu sagen. Und dieser Schwindel, dass sie alle zu vermeintlichen Daten-Milliardären gemacht werden, gehört nun einmal aufgeklärt.

RL:         Aber sieht es nicht danach aus, wenn sie die Belange des kleinen Mannes aus dem Datenschutz herausnehmen wollen, dass dieser wieder einmal die ganze Rechnung zahlen soll.
Prof. Raskolnjew:           Tja, das sind die populären, man kann eigentlich genauso gut sagen, die wirklich populistischen Schlagworte, um etwas, was es nicht gibt, als vorhanden hinzustellen. Den vielgerühmten kleinen Mann, der zumeist die Lasten tragen soll, den gibt es jedenfalls in unseren europäischen sozialen Gesellschaften schon lange nicht mehr. Der kleine Mann, also diejenigen Bürger, die, wenn wir es weit fassen, der einen Hälfte der Gesellschaft angehören, der zahlt doch überhaupt keine Steuer und von seinen sonstigen Lasten wird ihm statistisch weit mehr als Hälfte seines Aufwandes aus den Mitteln, den die andere Hälfte der Gesellschaft erwirtschaftet wiederum in irgendeiner Form erstattet, weswegen sich unsere Gesellschaften doch schon weitgehend dem Zustand angenähert haben, dass nahezu die Hälfte der Menschen direkt vom Staat und staatlicher Unterstützung leben. Wenn er also bei Verschiebungen oder Kürzungenangeblich die Lasten trägt, dann kann das nur bedeuten, dass ihm nicht noch mehr leistungsfreies Einkommen zufließt, weil die Gemeinschaft nun auch noch diese oder jene andere Pflicht zu erfüllen hat.

RL:         Aber ist das nicht gerade eine der Konsequenzen der ungerechten Verteilung von Vermögen und Resourcen in unseren Gesellschaften?

Prof. Raskolnjew:           So heißt es in der Tat, aber bei genauerem Hinsehen sehen die Dinge schon wesentlich differenzierter aus. Es gibt da die biblische Geschichte, wonach alle 7 x 7, also entmystifiziert alle 49 Jahre jedem alles wieder genommen wird, was er hat, und jeder von neuem wieder bei Null beginnen muss mit dem sich jeweils einstellenden Resultat, dass nach 49 Jahre wieder das meiste dieselben Leute oder Gruppen besitzen, wie vor 49 Jahre. Ist das richtig, dann kann es wohl kaum an der ungerechten Verteilung liegen. Aber das führt zu politischen Diskussionen der sozialen Gerechtigkeit einerseits und dem Vorwurf des unumschränkten Sozialhedonismus andererseits. Von unserer Aufgabenstellung konnten wir nur davon ausgehen, was wir vorgefunden haben. Und es ist ein schlichter Tatbestand: der kleine Mann hat eigentlich nichts.

RL:         Aber umso wichtiger erscheint es dann, wenigstens dasjenige, was er besitzt, zu schützen und das sind immerhin seine persönlichen Daten, die ihn, wenn sie in fremde Hände gelangen, anderen Interessen schutzlos ausliefern würden.

Prof. Raskolnjew:           Seine Daten, genau das war die Fragen, hat der diese wirklich?

RL:         Nun, ganze Wirtschaftsunternehmen bemühen sich doch nun sehr intensiv, ihrer habhaft zu werden und haben darauf ihr Geschäftsmodell gegründet, also müssen sie doch ihren Wert schon haben.

Prof. Raskolnjew:           Hier genau beginnt die Irreleitung. Einerseits beruht alles auf Daten, die in ihrem Zusammenhang jeweils eine Information bilden. Ein jedes Leben, wie auch alles nicht Belebte und jedes Universum lassen sich nur dadurch erklären, dass die jeweils bei ihnen in Augenschein genommenen Zustände dadurch bewirkt werden, dass die an bestimmten Prozessen beteiligten Glieder sich gemäß einer ihnen vorliegenden Information in einer bestimmten dort vorgesehenen Weise mit anderen Prozessglieder abgestimmt verhalten. Die Information besteht aus einzelnen Daten, denen die Prozessglieder die von ihnen erwartete Verhaltensweisen entnehmen. Will ich somit solche Zustände verstehen, muss ich diese Daten kennen. Sie können damit die gesamte Welt, eine jede Gesellschaft alle Staaten und die ganze Welt erklären. Diese Daten sind Allgemeingut, wäre dem nicht so, dann wäre Wissenschaft unmöglich. Hierzu gehört aber nicht weniger auch im Einzelnen die Schicksale der Daten, wie sie von den einzelnen Prozessgliedern aufgenommen und wie sie umgesetzt werden, mit welcher Konsequenz und vieles mehr. Das alles kann keine Privatsache sein.

RL:         Nun gut, wir geben Ihnen recht, wenn es um Zusammenhänge von allgemeinem Interesse geht, wie in Bezug auf die Gemeinschaft oder bei der Arbeit. Aber geht es beim Datenschutz nicht gerade um die nicht funktionalen Bereiche, in den der einzelne Mensch frei von solchen Zwecken über sich selbst bestimmt?

Prof. Raskolnjew:           Das hört sich gut an, ist es aber nicht. Wenn es darum geht, die Daten über mein Techtelmechtel mit meiner verheirateten Nachbarin zu schützen, stellt sich der mögliche Kreis an ihnen interessierter Unternehmen sicherlich ganz anders dar, als wenn es darum geht, wieviel Liter Bier ich kaufe oder aber vielleicht auch jeden Abend trinke. In unserer Studie verneinen wir diese unterschiedlichen Aspekte nun keineswegs, sondern wir greifen sie gerade auf, um sie zu gewichten. Wenn ich einmal konstatiere, dass die ganze Welt mit allen Staaten, Gemeinschaften und Bewohner nichts als ein riesiger Datenhaufen ist, dann gewinnt die Frage nach einem effektiven Datenschutz eine ganz andere Dimension. Denn für mein Techtelmechtel mit meiner vielleicht sogar ausgesprochen hübschen Nachbarin interessieren sich mit Sicherheit nicht der amerikanische NSA oder andere Geheimdienste, wahrscheinlich aber meine Frau. Rechtfertigt dieses Interesse eines eifersüchtigen Weibes aber gesetzgeberische Maßnahmen, anderenorts tätige Sicherheitskräfte bei ihren Erkenntnissen zum Schutz vor terroristischen Anschlägen zu behindern?

RL:         Hola, hola, Herr Professor, vergleichen Sie da nicht Äpfel mit Birnen?

Prof. Raskolnjew:           Durchaus, durchaus, Herr Baron, aber alles und jedes setzt sich aus Äpfeln und Birnen und noch weit mehr zusammen und ist gleichwohl Teil des identischen Datenhaufens. Genau das gilt es zu beachten. Besonders das europäische Modell setzt daher an einem völlig falschen Datenverständnis an. Dabei wird so getan, als seien die Daten Privatsache, nur weil sie das Private in der vorhandenen Form gerade bewirkt haben. Das ist aber nicht der Fall, vielmehr obwaltet hier die allgemeine Kraft des Lebens, die Leben schafft und die unser aller Gemeinsache ist. Und ein jedes Datum, das für mein Leben und meine Sicherheit Bedeutung erlangt oder erlangen kann, wird umgekehrt damit auch zu meinem eigenen Datum und da kann es kein Gesetz geben, dass mir verbietet, von ihm Kenntnis zu erlangen, nur weil dasselbe Datum auch ein anderes bei einem anderen bewirkt. Ich sollte im Gegenteil gerade wissen, was es bei einem anderen so bewirken kann. 

RL:         Sollen dann, was die Daten anbetrifft, alle nackt herumlaufen.

Prof. Raskolnjew:            Es ist nun sicherlich keineswegs stets ein Vergnügen, die Nacktheit eines jeden oder auch einer jeden auch erblicken zu müssen. Aber der generelle Ausschluss jeglicher Nudität in Bezug auf Daten zäumt das Pferd von der falschen Seit auf. Daten und damit Information sind grundsätzlich allgemeine Güter und allgemeine Güter stehen einem jeden zu, statt mit Datenschutz die Welt überall mit Zäunen zu überziehen, müssten wir von einer Datenalmende ausgehen, von einer Informationsfreiheit. Denn die Information bedingt das Leben nicht weniger wie Luft und Wasser und niemand käme auf die Idee, ein individuelles ausschließliches Recht auf Luft zu kreieren. Information enthält stets Daten, die auf eine Vielzahl von Fällen angewandt werden können und Information ist immer etwas Allgemeines und daher auch immer frei. Nur in bestimmten Fällen kann sie gebunden sein, wenn sie beispielsweise meine private ist, weil ich sie in meinem Tagebuch für mich allein niedergelegt habe. Dann steht deren öffentliche Zugänglichmachung aber nicht der Datenschutz entgegen (als bloße Information ist sie gerade frei), sondern mein persönlicher Wille und der Schutz meiner Person und meine Würde verlangen dessen Beachtung. Dazu bedarf es keines Datenschutzes, wie andererseits es durchaus Gestaltungen gibt, wo mein Wille gleichwohl unbeachtlich wäre, etwa wenn mein Tagebuch Gegenstand der Ermittlungen in einem Strafverfahren würde. Die Vorstellung von einem Datenschutz vernebelt hier doch nur die Maßstäbe.

RL:         Also sind Sie doch für den Schutz der Daten, nennen das Kind nur anders.

Prof. Raskolnjew:           Keineswegs, nur wehre ich mich gegen die politische Rosstäuscherei. Ich gehe dabei von einer Datenfreiheit aus und akzeptiere wie in bei jeder Freiheit eine Einschränkung nur dann, wenn die Inanspruchnahme meiner Freiheit in die Rechte anderer eingreift. Das ist die übliche Begrenzung der eigenen Freiheit. Das ist nicht einfach, aber halt der Preis der Freiheit. 

RL:         Sie nehmen damit aber im Grundsatz einem jedem Datum ihre Privatheit.
Prof. Raskolnjew:            Schon meinen Kindern habe ich zu ihren privaten Geheimnissen erklärt, dass ein Geheimnis doch nur dann ein Geheimnis sein könne, wenn es auch anderen bekannt sei. Ein Geheimnis, dass nur in meinem Herzen tief verborgen ruht, ist kein Datum und auch kein wirkliches Geheimnis, es ist ein schlichtes subjektives Gefühl. Erst wenn es sich datenmäßig objektiviert und Gegenstand einer Information wird, entsteht es als Geheimnis und der geheime Charakter besteht darin, dass ich mir vorbehalte, mit wem ich es teilen will – ohne Teilung aber kein Geheimnis. Damit aber wird auch jedes Geheimnis Gegenstand allgemeine Kommunikation und allein andere Gesichtspunkte können ergeben, es gleichwohl so zu behandeln, als sei es geheim. Das ist aber eine Fiktion, gleichermaßen fingieren wir auf diese Weise das ganze Leben.

RL:         Nichts anderes will doch auch der Datenschutz.

Prof. Raskolnjew:           Vielleicht im Anspruch, aber mit der Konsequenz eine für jedes Leben, sei es das biologische oder das soziale, elementare Freiheit in ihr Gegenteil zu kehren. Und in der Praxis erweist sich rasch das Gegenteil. Mein vor den Augen vor allem meiner Frau geheim zu haltendes Techtelmechtel interessiert naturgemäß wenige andere, gleichwohl würde sich der Datenschutz hierauf erstrecken. Anders wäre es, wenn ich mit meiner Treue Geschäft machen wollte, vielleicht als Politiker einer Partei, die sich für die Wiedereinführung christlicher Lebensgrundsätze stark machen würde. Genau genommen endet die Vorstellung von einem Datumschutz jeweils dort, wo bestimmte vorherrschende Interessen, wie etwa die der Presse, sich entgegenstellen. Oder nehmen wir doch den Bereich des gesamten wirtschaftlichen Lebens, hier heißt es nicht Datenschutz sondern Transparenz, denn es geht dabei um Sozialhedonismus, darum, wieviel ein jeder für sich von dem, was andere schaffen, ergattern kann, um Umverteilung. Wenn sie mich nach diesem Gespräch zum Essen einladen, dann müssen Sie nicht nur meinen Namen, sondern auch, was ich gegessen habe, auf der Rechnung vermerken lassen, damit Sie die Einladung nicht aus ihrer Privattasche zahlen müssen, sonst muss Ihr Chef die Ausgabe als Einnahme auch noch versteuern. Es gibt viele Menschen, die wesentliche Bereiche ihres Lebens mit wirtschaftlichen Aktivitäten verbinden, da gibt es nicht nur keinen Datenschutz, sondern im Gegenteil eine nahezu unbegrenzte Offenbarungspflicht. Was bleibt dann wirklich übrig für den Datenschutz? Ob ich es nun wirklich mit meiner Nachbarin treibe oder nicht oder vielleicht gar mit einem Nachbarn!

RL:         Auch der kleine Mann bricht hin wieder seine Ehe.

Prof. Raskolnjew:            Ganz genau, Sie nehmen es beim Wort. Und hierin liegt gerade der Betrug des Datenschutzes. Einmal gaukelt man dem kleinen Mann, ich meine den der unteren Hälfte, vor, dass er zwar kein Vermögen besitze und zudem weitgehend von leistungsfreiem öffentlichen Einkommen lebe, jedoch über einen wertvollen Schatz an ihn betreffender Daten verfüge, die immerhin Firmen wie Google oder Facebook ihre Geschäftsmodelle hierauf gründen ließe. Tatsächlich gründen diese Geschäftsmodelle darauf, den Informationshaufen, den die Welt darstellt, zu verstehen und ein jeder hat teil an diesem Haufen. Statt dafür dankbar zu sein, dass solche Geschäftsmodelle darauf beruhen, dass sich aus der schlichten Existenz der Masse genügend Gewinn erwirtschaften lässt, um seine Leistungen (von beachtlichem Wert, wie sich leicht erweist, wenn man ähnliche Leistungen aus dem Bereich der vergütungspflichtigen Onlinedienste in Anspruch nimmt) kostenlos anzubieten. Tatsächlich aber besitzen die Daten des Einzelnen keinen anderen Wert als den des Ausschnitts, den seine Existenz am Ganzen bildet. Es verhält sich dabei nicht anders, wenn man dem kleinen Mann erlaubt, seine Claims auf der Allmende abzustecken, also etwas, das nicht ihm sondern der Allgemeinheit gehört. Mit gleicher Berechtigung könnte man ihm auch Anteile am Mond zuteilen, na ja Mond ist vielleicht schon wieder zu nah, nehmen wir lieber den Jupiter, ist der nicht ohnehin nur heiße Luft? Das ist der gleiche Schwindel, wie wenn man jemanden wegen seiner Lebensleistung ehrt. Ein jeder der lebt, lebt halt und das ist keine Leistung. Das Leben selbst ist die andauernde Überwindung des Mangels und des Irrtums, wenn jemand dabei nur lebt, dann tut er nichts anderes, als er tun muss, um zu leben. Solche Ehrungen gaukeln jemandem nicht anders als der Datenschutz vor, eine Leistung erbracht zu haben, wofür er in Wirklichkeit dankbar sein soll, sie ohnehin zu besitzen, nämlich zu leben.

RL:         Wollen Sie denn auf jeden Datenschutz verzichten?

Prof. Raskolnjew:           Keineswegs, im Gegensteil. Nur schlage ich vor, uns auf dasjenige zu beschränken, was auch notwendig ist und das zu schützen, was überhaupt den Bedarf hat, geschützt zu werden. Ein jedes Leben benötigt seinen Raum, der für den Zeitraum seiner Erzeugung möglichst gleichbleibende oder zumindest vorhersehbare das erzeugte Leben beeinflussende Bedingungen enthält. Diese haben wir zu studieren und mit entsprechenden Maßnahmen zu bedingen und auch zu sichern. Wo seit Menschengedenken kein Wasser floss und auch nicht vom Himmel oder sonst wo herkam, bedarf es keines Hochwassersschutzes, wahrscheinlich ebenso wenig auf dem Gipfel eines Berges. Nicht anders verhält es sich beim Datenschutz. Die Daten, wie oft ich meine Schwiegermutter anrufe, gäben kaum ein lohnendes Angriffsziel für Hacker ab. Der NSA hat sicherlich auch wenig Interesse, mein Techtelmechtel mit meiner Nachbarin auszuspionieren und zu wissen, wie oft wir uns treffen. Maßnahmen des Datenschutzes, dieses zu verhindern, wären zudem unangemessen, da es bei geheimdienstlichen Aktivitäten um staatliche Aktionen, auch auf internationaler Ebene, unserer aller Sicherheit wegen geht. Wenn dabei gar die Telefone von politischen Entscheidungsträgern abgehört werden, würde das sicherlich zu einer Frage des Datenschutzes, aber kaum eines allgemeinen Gesetzes oder eines Datenschutzbeauftragten. Professionell würde man Maßnahmen der Gegenspionage oder sonstige der Abwehr erwarten. Auch wenn der Fiskus in nahezu jedes Konto blicken darf, sollte man es nicht anderen Mächten ermöglichen, aber auch würde man dort kaum vom allgemeinen Datenschutz sprechen, zu nahe liegt das eigene fiskale Interesse. Außerdem sieht die Mehrheit dies wieder ganz anders, wenn es zur eigenen Bereicherung führt. Nichts anderes gilt für Industriespionage, hier lassen sich viele weitere Beispiele finden, die eigentlich angestammtes Gebiet für einen Datenschutz wären, wozu aber weder die Datenschutzgesetze noch die vielen Datenschutzbeauftragten überhaupt einen Beitrag leisten können. Nein Datenschutz, das ist eine politische Pille, die man dem kleinen Mann gibt, um ihn seiner tatsächlich nicht vorhandenen Bedeutung zu versichern. Man schafft eine Scheinwährung, wie Spielgeld im Monopoly, mit der sich jeder Habenichts dann reich rechnen kann, politisches Placebo.



RL:         Wir danken Ihnen Herr Professor für das Gespräch und grüßen Sie Ihre Nachbarin.

Dienstag, 8. April 2014

Ärzte: vorgetäuschte Vorsorge



Reihe: Der Anderen Meinung
- Die Wahrheit liegt stets in der Mitte 


Der Stand der medizinischen Versorgung ist hoch, noch höher sind allerdings die Gesundheitsaufwendungen, zumal der überwiegende Anteil von ihnen nichts zu dem genannten Standard beiträgt. Mit anderen Worten, ein großer Anteil der Gesundheitsaufwendungen wird ineffezient verpulvert. Rainer Logos berichtet nun in seinem Blog RL Recherchierte Lügen über eine Studie, nach der diese Effezienz ebenso für den Großteil der von den Ärzten erbrachten Leistungen gelte. Vielmehr täusche die Mehrheit der Ärzte bei ihren Leistungen einen Standard, den eine Minderheit von etwa 20 % ihrer Kollegen allein zu erbringen in der Lage sei, und zwar mit einem gewaltigen Kostenaufwand, nur vor - ein zu hoher Preis für das Placebo des weißen Rockes.


Ärzte: vorgetäuschte Versorgung

Überteuertes Placebo

Erhebliche Gesundheitsaufwendungen
Mehr als zehn Prozent des deutschen Bruttosozialprodukts, in Zahlen über 300 Milliarden Euro, also in etwa soviel wie der Bundeshaushalt, betragen die gesamten jährlichen Gesundheitsaufwendungen. Betrachtet man die drastische Zunahme der allgemeinen Lebenserwartung, scheint dieser Aufwand auch gerechtfertigt zu sein. Die Menschen werden immer älter. Hundertjährige hat es zwar schon immer gegeben, aber die Chance, dieses einmal als biblisch angesehene Alter zu erreichen, erlangen immer mehr Menschen. Auf der anderen Seite ist die Sterblichkeit von Neugeborenen und Kindern erheblich zurückgegangen, eine Zahl die statistisch gesehen die Lebenserwartung seit je stark negativ beeinflusst hat. Wer kann daher die Leistungsfähigkeit unserer modernen Medizin und mehr noch die unserer modernen Ärzte vor diesem Hintergrund in Zweifel ziehen? Niemand, möchte man meinen.

Große Leistungsdefizite bei Ärzten
Und doch geschieht dies in der Effizienzstudie des interuniversitären Instituts für Gesundheitsstruktur auf besonders dramatische Weise. Professor Titus Stromhagen hat bei der Vorstellung der neuesten Untersuchung zum Wirkungsgrad medizinischer Einrichtungen mit vernichtender Kritik am gesamten Gesundheitswesen nicht gespart und dabei vor allem die Leistungsfähigkeit einer Berufsgruppe, deren Ansehen in der ihre Leistungen in Anspruch nehmenden Bevölkerung besonders hoch ist, mit der durchschnittlichen Note ungenügend diskreditiert - die der Ärzte. In Deutschland sind ungefähr 350.000 Ärzte beruflich tätig, davon etwa die Hälfte in Krankenhäusern. Nach der Studie liegt dabei der Effizienzgrad im Sinne einer positiven Auswirkung auf die Gesundheit der Bevölkerung günstigstenfalls für etwa 80 % von ihnen bei Null (die durch ärztliche Tätigkeit verschlechterte Volksgesundheit war nicht Gegenstand der Studie). Mit anderen Worten, nach Stromhagens Ergebnissen könne man auf etwa 80 % der Ärzte schlichtweg verzichten, ohne dass sich deren Ausfall negativ auf die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung auswirken würde. Dies gelte ganz besonders hinsichtlich der eingangs erwähnten gesundheitspolitischen Parameter wie dem Anstieg der allgemeinen Lebenserwartung. Dieser Umstand sei als solcher schon seit langem bekannt, so die Tatsache, dass mehr als 75 % des Gesamtaufwands für das Gesundheitswesen ohnehin keine der Gründe betreffen, die für den genannten Anstieg der Lebenserwartung verantwortlich seien. Die Studie habe, so Stromhagen, aber mehr und Deutlicheres an den Tag gebracht, dass nämlich das, was für die Kosten gelte, auch für die Leistungseffzienz der Ärzte zuträfe.

Diffuses Leistungsbild
Angesichts dieser Feststellungen bemühte sich Stromhagen erst gar nicht, mit Spott zu sparen, wie über den angeblichen Wirkungsgrad ärztlicher Diagnosen, wonach bei einem humpelnden beinamputierten Patienten 97 % der beteiligten Ärzten mit dem Verlust eines Gliedes die zutreffende Diagnose stellten. Auch sah er das an sich mehr ironisch gemeinte Bild bestätigt, wonach ein Arzt im Durchschnitt bei seiner Tätigkeit damit beschäftigt sei, 40 ihm bekannte Medikamente möglichst passend auf die vor ihm erscheinenden Patienten zu verteilen, bei besseren Ärzten seien es bis zu 80 Medikamente. Kämen dem Arzt bei dieser Zuteilung dann doch Zweifel, weise er den Beschwerden einen psychosomatischen Ursprung zu. Natürlich bediene sich der Arzt aller ihm erreichbarer Untersuchungsmethoden, vor allem des Einsatzes in seiner Praxis vorhandener und in zweiter Linie auch üblicher und von ihm erwarteter Untersuchungsverfahren, deren Ergebnisse aber zumeist nur durch den Filter der bestehenden Beschränkung der von ihm praktizierten Medikamentenverteilung wahrgenommen werden. Dabei wirkt sich eine weitere festgestellte weitverbreitete Leseschwäche unter Ärzten aus, die ihnen den Zugang über mehrere Absätze sich erstreckende schriftliche Darstellungen zu verschließen scheint, was erst recht für mehrere Seiten umfassende Dokumente gilt. Dies gilt selbst für zusammenfassende Laborergebnisse, zu deren Erhebung im weiten Umfang sie zwar den Auftrag erteilen (was Bedeutung für den Umfang der ärztlichen Vergütung hat), deren einzelne Daten aber nur insoweit überhaupt wahrgenommen werden, wenn normabweichende Resultate als solche farblich oder in einer ähnlich geeigneten grafisch auffälligen Weise auch kenntlich gemacht seien. Daher sei es unter den Kollegen, die auf solche Untersuchungen spezialisiert haben, wie etwa Laborärzte oder Röntgenologen, auch üblich, Ergebnisse in nicht mehr als zwei oder drei Sätzen darzustellen, ungeachtet der Komplexität der jeweiligen Untersuchung.

Kriterium: Diagnosesicherheit
Untersucht wurden unter anderem die Diagnosesicherheit und die theoretische Wirksamkeit angeordneter Therapien. Unter Diagnosesicherheit wird die Fähigkeit eines Arztes beurteilt, anhand der von ihm feststellbaren Symptome zu einer Diagnose mit der höchsten Wahrscheinlichkeit der Symptomverursachung zu gelangen. Schon während des klinischen Studiums wird den angehenden Medizinern dabei die Methode einer Differenzialdiagnose beigebracht, mithilfe derer dem symptomatischen Bild mögliche Ursachen, also gemeinhin Krankheiten, zugeordnet werden sollen. Die Effizienz dieses Verfahrens hängt von zweierlei ab, einmal von einer möglichst vollständigen Erfassung der beim Patienten feststellbaren Symptome, zum anderen von einem fundierten Wissen möglicher Ursachen, also der praktischen und theoretischen Beherrschung des vom jeweiligen Arzt betreuten Fachgebiets. Die Studie hat nun hinsichtlich beider Voraussetzungen gravierende Missstände nachgewiesen, die bei bis zu 80 % der teilnehmenden Ärzte auftraten. Bereits bei der Symptomerhebung fielen ein Großteil der Ärzte damit auf, dass sie sich ihnen bietende Informationsquellen erst gar nicht auswerteten. Besonders gravierend war das Übergehen von Schilderungen der Patienten über ihre Beschwerden, die bis zu in 90 % der Fälle schon gar nicht wahrgenommen wurden. Vielmehr schienen die beteiligten Ärzte überwiegend auf ganz bestimmte Fragestellungen beschränkt zu sein, die ihnen vom vorneherein einen Blick für die vorliegende besondere Symptomatik verstellten und zugleich bereits den Anwendungsbereich möglicher differentialdiagnostischer Betrachtung entschieden einschränkten. In vielen Fällen beschränkte sich die Symptomanalyse bei allen untersuchten Patienten auf die Punkte Rauchen, Alkohol und Fettleibigkeit sowie Bewegungsarmut. Eine Anamnese fiel mithin bei nichtrauchenden und alkoholabstinenten schlanken Patienten schlichtweg aus. Diese Defizite setzten sich im Umgang mit weiteren möglichen Informationen zur Symptomerfassung fort, indem auffallend viele Untersuchungsergebnisse in ihrer Bedeutung für die von dem Patienten beschriebenen Beschwerden nicht erkannt wurden, sondern durchweg eine Ergebniswahrnehmung nur aufgrund stereotypisch verwandter Parameter erfolgte. Die auf dieser erkenntnistheoretisch bereits erheblich reduzierten Basis beginnende eigentliche differentialdiagnostische Leistung führte schließlich in mehr als die Hälfte der Fälle zum vollkommenen Ausfall. Denn ein Großteil der untersuchten Ärzte beschränkte ihre Diagnose auf eine bestimmte und limitierte Anzahl von ihnen praktizierter Verfahren, und übergingen dabei sogar bereits festgestellte Symptome, da sie nicht zu den angewandten diagnostischen Stereotypen passten. Das heißt in der weitaus größten Anzahl ging die Differentialdiagnose schlichtweg ins Leere. Dort, wo sie symptomgerecht gestellt wurde, waren ihre Ergebnisse wiederum in einem erschreckenden Maße von schlichter Unkenntnis des differentialdiagnostischen Umfelds gekennzeichnet.

Kriterium: Theoretische Therapieeffizienz
Die theoretische Wirksamkeit angeordneter Therapien befasst sich mit der grundsätzlichen Möglichkeit einer verordneten Therapie, diagnostizierte Fehlfunktionen zu beheben. Unberücksichtigt bleiben dabei reine Placebo-Wirkungen. Dabei geht es nicht um eine pharmakologische Aussage zur Wirkung eines bestimmten Medikaments, sondern einmal um die Beurteilung, ob angesichts der festgestellten Umstände ein positive Wirkung der Maßnahme überhaupt möglich ist und zum anderen darum, ob Informationen über eine solche Wirkungseffizienz von dem Therapeuten nach seinem Verhalten erkannt werden können. Auffallend war, dass Ärzte überwiegend auf solche Medikamente zurückgriffen, deren breite bis oft unbestimmte weite WIrkungsweise bekannt ist, wie etwa bei bestimmten Antibiotika. Je weniger ein solches Medikament einer ganz bestimmten WIrkung zuzuordnen war, umso häufiger fand es in den untersuchten Fällen Verwendung. Ein differenzierter diagnostischer Befund führte in vielen Fällen nicht zu einer entsprechend differenzierten Verwendung einzelner Medikamente, sondern es blieb in der Regel dabei, vieles über einen Kamm zu scheren. Eine Wirksamkeitskontrolle verschriebener Therapien fand in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle nicht statt. Nur in knapp 20 % der Therapien wurden deren Anschlagen vom sie verordnenden Arzt auch nachgeprüft, im Übrigen erfolgte eine Beurteilung nur dann, wenn der Patient wegen Fortbestands der Beschwerden den Arzt von sich aus wiederaufsuchte. Aber selbst in diesen Fällen wurden wiederum nur in weniger als die Hälfte aller Untersuchungen die bereits erfolgte Therapie und mögliche Gründe ihres Scheiterns überprüft, in der Mehrzahl der Fälle wurde aus der begrenzten Auswahl von Medikamenten ein anderes verschrieben.

Von der Mehrheit vorgetäuschte Leistungseffizienz einer Minderheit
Bei der Vorstellung der Ergebnisse seiner Studie legte Stromhagen jedoch besonderen Wert auf seine Feststellung, dass mit dieser negativen Beurteilung keineswegs ärztliche Leistungen generell abgewertet werden würden. Denn Fortschritt und Möglichkeiten medizinischer Therapierung bewegten sich sowohl nach ihrer Diagnosesicherheit und ihrer Wirkungseffizienz (theoretische Wirksamkeit angeordneter Therapien) als auch den anderen Kriterien nach nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau. Dieses Niveau werde aber nicht durch die Tätigkeit der ganz großen Mehrheit der Ärzte begründet, sondern ausschließlich von einer kleinen Gruppe von nicht mehr als 20 % von ihnen. Das Besondere bestehe aber nun gerade darin, dass sich die öffentlichen Wahrnehmung nahezu ausschließlich auf die Tätigkeit und Erfolge dieser Minderheit beziehe. Die große Mehrheit der Ärzte folgt einer hierdurch begründeten Erwartung insoweit, als sie bei ihrer Leistungserbringung vorgibt, zu entsprechenden gleichen Leistungen ebenfalls in der Lage zu sein. Hierauf beruhen die geschilderten Diskrepanzen. Denn in Wirklichkeit täuscht die Mehrheit die Qualität der Leistungen der Minderheit nur vor.

Teure Placebowirkung des weißen Rocks
Im Ergebnis stellt Stromhagen fest, dass das, was hinsichtlich der Kostenstruktur schon seit langem bekannt sei, ebenfalls für die Leistungsstruktur gelte, dass nämlich nicht mehr als 25 % des finanziellen oder persönlichen Aufwands zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Volksgesundheit beitrügen und damit auch erforderlichen seien. Angesichts der Tatsache, dass mehr als 10 % des Bruttosozialprodukts für den Gesundheitsbereich aufgewendet werden, sollte diese Feststellung endgültig Anlass zum Nachdenken über eine tiefgreifende Änderung dieses Bereichs geben. Es ist dabei ohnehin zu erwarten, dass sich mit dem Vordringen der Digitalisierung auch im Gesundheitswesen ohnehin automatisch eine zuverlässigere Erfassung der für die Diagnose erheblichen Symptomatik eines Patienten einstellen wird und im zweiten Schrift damit nicht nur die Basis für eine Diagnose sondern auch die Bandbreite möglicher Diagnosen ( im Wege der Differentialdiagnose) wesentlich und vor allem auch zuverlässiger erweitert werden wird. Auf den mit diesen Hilfsmitteln umgehenden Arzt wird aber man aber niemals verzichten können, indessen auf jene, die betriebsblind nach eingefahrenen Stereotypen in die Kiste ihnen bekannter Remeduren nur greifen und im Übrigen auf die Placebowirkung ihres weißen Rockes vertrauen.

Donnerstag, 13. März 2014

Anmaßung von Gerechtigkeit und der Gerechtigkeitsschwindel

Reihe: Der Anderen Meinung - Die Wahrheit liegt stets in der Mitte


Über die Anmaßung von Gerechtigkeit und den Gerechtigkeitsschwindel 


Von Gerechtigkeit gezeichnet tief
und durch Gleichheit alle Kraft verloren,
die Gesellschaft laut um Hilfe rief,
doch keiner war dazu erkoren.

(aus: Karsten Cascais, Spruchsammlung, Auf Glauben gründet das Begehren der Kannibalen zum Verzehren, 2013)

Nachdem Kaiser, Führer und sogar Gott wie auch die meisten überkommenen Idole selbst ausgedient haben, einen scheinbar über jeden Zweifel erhabenen Angelpunkt in der gesellschaftlichen und damit auch politischen Auseinandersetzung abzugeben, haben wir heute die Gerechtigkeit als universellen Klarmacher auf den Thron gehoben und sie zudem in vielen Gesellschaften noch durch den Begriff der sozialen Gerechtigkeit geadelt - soweit gar, dass selbst die an sich der Rechtswahrung verpflichteten Verfassungsrichter mit ihr den ganzen übrigen verfassungsrechtlich vorgegebenen und an sich ewig gültigen Wertekatalog aushebeln. Die promiskiösen Dienste einer absoluter Gerechtigkeit sind zum Grunddogma des herrschenden Sozialhedonismus erhoben worden. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an zwei Beträge in diesem Blog  zu diesem Thema:

Anmaßung von Gerechtigkeit

Ein jeder, der über Gerechtigkeit philosophiert, findet genau soviel Ungerechtigkeit vor, das ist zwingend. Denn was dem einen gerecht ist, wird einem anderen immer ungerecht sein. Der Mensch ist ein Mangelwesen, schon mehr als hundert Sekunden ohne Luft bedrohen sein Leben. So ist es mit allem. Mangel bedeutet aber stets, dass der, der was bekommt, Glück hat und das als gerecht empfindet, und der, der leer ausgeht, hält dies dementsprechend für ungerecht. Die Arbeiter in Rumänien, die noch das biologische Existenzminimum kennen (und nicht ein durch Sozialfunktionäre theoretisch ermitteltes), empfinden es als gerecht, Arbeitsplätze zu bekommen, die Arbeitnehmer bei Nokia in Deutschland, die, obgleich sie ihr Bestes gegeben haben, ihren Arbeitsplatz verlieren, empfinden es als ungerecht – wenn auch die Rumänen glücklich wären, durch ihre Arbeit soviel zu verdienen, wie den Deutschen auch nach Hartz IV bleibt. Jeder, der vor Gericht war, weiß, dass Gerechtigkeit von jedem dort mit bestem Gewissen für sich beansprucht wird, obwohl doch nur einer eigentlich Recht haben kann. Im individuellen Bereich dient die Vorstellung von Gerechtigkeit der Steuerung und Korrektur eigenen Verhaltens im Hinblick auf die Interessen eines anderen, mit dem man in Berührung kommt. Hier durchläuft auch jede allgemeine Regel, die wir gemeinhin als Recht bezeichnen, in der konkreten Anwendung die individuelle Gerechtigkeitskontrolle. Auch wenn ein Vertrag mir dieses oder jenes Recht gibt, kann mir mein Gewissen sagen, dass dessen Durchsetzung im konkreten Ergebnis dennoch ungerecht ist. In der Gesellschaft aber ist die Gerechtigkeit eine inhaltsleere Scheme, denn Bedeutung kann sie dort nur dadurch erlangen, dass man ihr etwas Bestimmtes zuordnet. Das macht nun jeder nach seinem individuellen Erlebnis, somit gibt es soviel Gerechtigkeiten wie es Menschen gibt. Das ist auch der Grund, warum zu jeder Zeit und auch für alle Zukunft ein Kommentator nie mehr Gerechtigkeit und nie weniger Ungerechtigkeit als heute finden wird, es hängt nur vom eingenommenen Standpunkt ab. Verkennt man dies, wird Gerechtigkeit, wie jeder zur Absolutheit tendierende Begriff zu einer Geißel des Zusammenlebens. Davor stehen wir. Die Gesellschaft lebt von abstrakten Regeln, Formen, Symbolen, über die sich ihre Mitglieder absprechen. Regel aber bedeutet Recht und nicht Gerechtigkeit. Ein allgemeines Gesetz gilt für jeden an jedem Ort und zu jeder Zeit, damit ist mit dem Gesetz auch die unvermeidbare Ungerechtigkeit vorgegeben. Da eine jede Gesellschaft aber nur durch Regel und Rechtsicherheit bestehen kann, sind die Ungerechtigkeiten in Kauf zu nehmen. Oder anders, je mehr unter dem Namen der Gerechtigkeit geschieht, umso unsicherer wird das Recht. Ob wir auf der Straße links oder rechts fahren, ist an sich gleich, wichtig ist nur, dass wir uns auf eine Regel einigen. Diese Regel ist dann aber auch in jedem Fall einzuhalten, ganz gleich, ob sie manchmal zu wenig gerechten Ergebnissen führt, weil es Menschen gibt, die rechts und links nicht unterscheiden können. An sich können sie ja nichts dafür, es ist ihnen angeboren. Würde man aber für sie die Regel korrigieren, was diese sicherlich als gerecht empfinden, würde man bei anderen Unfälle verursachen, die die Regel für allgemein verbindlich beachten, was diesen gegenüber wieder sehr ungerecht wäre. Hätte eine Gesellschaft sich wirklich der Gerechtigkeit verschrieben, dann wäre sie verloren, denn nur die lückenlose Anwendung von Recht und nicht die Gerechtigkeit vermag gesellschaftlichen Zusammenhalt zu begründen. Alles andere gehört religiösen Vorstellungen von einer besseren Welt an, weswegen in der Gesellschaft die Vorstellung von Gerechtigkeit auch immer mit einer behaupteten Allmacht gepaart vorkommt, wie wir sie früher nur Gott beilegten. Ein jeder aber, der sich für allmächtig hält, blanken Fußes über das Meer zu gehen, ertrinkt. Wo die Sicherheit des Rechts zugunsten der Gerechtigkeit fehlt, kehrt das Chaos zurück und das ist der Tod. Gevatter Tod ist auch nicht gerecht, er greift die Menschen ausschließlich nach Willkür von der Bahre. Leben und auch lebensfähige Gesellschaften können nur existieren, wenn sie die unveränderlichen Bedingungen für die Bildung des Lebens beachten. Da findet sich aber weder Gerechtigkeit noch Gleichheit (wie etwa die wissenschaftlich eigentlich unbestrittene Tatsache, dass weit über 50 % menschlicher Begabung genetisch bestimmt sind, was nicht zu unserem modernen Demokratieverständnis passt). Wir können in unseren die Gesellschaften bildenden Absprachen versuchen das eine oder das andere auszugleichen. Aber schon der Blick auf die Welt zeigt, dass wir uns dabei allenfalls wie mit einem kleinen Boot auf den wilden Ozeanen bewegen. 28.01.2008


Der Gerechtigkeitsschwindel


Sozialpolitiker wie Kirchenvertreter bombardieren uns seit Jahrzehnten mit sich ständig verschlechternden Zahlen zur Armut der Bevölkerung und sind sich dabei –nach dem Motto der Zweck heiligt die Mittel- zu jederlei statistischen Taschenspielertricks nicht zu schade. So stieg aufgrund solcher Tricks etwa die Zahl der in armen Haushalten lebenden Kinder von 1 Mio. im Jahre 2003 um 150 % auf 2.5 Mio. im Jahr 2005, seither ist die neue Kinderarmut in aller Munde. Die statistische Armutsgrenze ist infolge ihres statistischen Konstrukts (60 % eines statistisch ermittelten Durchschnittseinkommen ohne Berücksichtigung etwa von Schwarzarbeit oder familieninternen Leistungen) rasant gestiegen und beträgt heute mit knapp 1.000 Euro mehr, als viele durch ihre Arbeit überhaupt verdienen und zumindest früher glücklich gewesen wären, verdient zu haben. Auf der anderen Seite haben sich die Sozialausgaben pro Kopf in den letzten Jahrzehnten verdoppelt, in keinem Bereich wurden so viele neue Arbeitsplätze geschaffen wie im Sozialbereich. Und die behauptete Gerechtigkeitslücke hat mittlerweile dazu geführt, dass mehr als 41 % der deutschen Bevölkerung seinen Lebensunterhalt mehrheitlich aus staatlichen Sozialleistungen bezieht, in den neuen Bundesländern sind es 47 %, in Berlin mehr als 60 %. Dafür wird ein Drittel des gesamten Staatshaushalts verwandt. Ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung trägt diese Lasten, sie bringen 80 % der Einkommensteuer auf, ein Zehntel der Bevölkerung zahlt mehr als die Hälfte des gesamten Einkommen- und Lohnsteueraufkommens. So sieht die Gerechtigkeitslücke in Wirklichkeit aus. Jedoch werden die Forderungen der Funktionäre und Sozialpolitiker immer dreister. Nachdem die sozialistischen Umverteilungsmodelle in den Arbeiter- und Bauernparadiesen allesamt gescheitert waren, hat man sich ganz rasch der Gerechtigkeit als revolutionären Antriebssatz besonnen. Gerechtigkeit ist in jedem Menschen wie Liebe und Verantwortung eines der Links, die das Individuum mit anderen verbindet und hierdurch erst ein Zusammenleben ermöglicht. Gerechtigkeit kennt somit jeder aus eigener täglicher Erfahrung, sei es als Verpflichtung oder als Forderung, nicht anders als die Liebe. So wie die Liebe bezieht sich die Gerechtigkeit auf alles, was ein Mensch erfahren und erlangen kann. Auf abstrakter Ebene jedoch, also als gesellschaftliche Regel zwischen vielen Menschen taugt sie konkret, also gewissermaßen bei Wort genommen nicht mehr und nicht weniger als etwa die Liebe taugt. Liebe in Bezug auf Vaterland, Führer, Idole sind uns als Missbrauch geläufig, keine andere Gefahr aber läuft auch eine allein durch ihren individuellen Gefühlswert bestimmte abstrakte Form der Gerechtigkeit. In der politischen Auseinandersetzung instrumentalisiert, wie dies immer mehr geschieht, kollidiert sie mit dem bestehenden Recht (die Vorstellung von einer gesellschaftlichen Gerechtigkeit dient dazu, das bestehende Recht zu relativieren), vor allem ganz rasch mit den staatsrechtlichen, verfassungsrechtlichen Grundlagen (unter dem Schlagwort der Gerechtigkeit befreien sich Forderungen von verfassungsrechtlichen Bindungen wie denen des Eigentumschutzes- Enteignung nur gegen angemessene Entschädigung- oder einer verfassungsrechtlichen Steuergerechtigkeit –die allgemeine Steuerbelastung darf 50 % auf Dauer nicht übersteigen- oder, ein aktuelles Beispiel aus der Diskussion über „gerechte“ Managergehälter, der Berufsfreiheit –die Freiheit von Unternehmern, Manager an ihren Vermögens-Zuwächsen zu beteiligen-). Die nebulösen Vorstellungen einer scheinbar innerhalb einer Gesellschaft existierenden Gerechtigkeit fegt alle solch wohlbedachten und ausgewogenen Grundsätze vom Tisch. Das ist eine andere Art der Revolution. Gerechtigkeit ist Realität, aber nur als Pflicht und Forderung in jedem Einzelnen, in der Gesellschaft kann ihr nur symbolhafte Bedeutung zukommen, nicht anders als etwa der Liebe. Symbolhaft bedeutet aber immer definierte Sinnhaftigkeit. Das heißt, wir müssen uns vorher darüber einigen, was in der Gesellschaft als gerecht gelten soll. Indessen gibt es keinen abstrakten Inhalt einer Gerechtigkeit, der schlüssig aus ihr abzuleiten wäre. So etwas gewinnt man nur aus der Analogie zum eigenen Erleben und dieses ist vielfältig. Daher versteht auch jeder, erst einmal selber betroffen, unter Gerechtigkeit etwas anderes und in der politischen Auseinadersetzung instrumentalisiert und missbraucht, steht zu befürchten, dass die immer mehr von staatlichen Transferleistungen abhängige Mehrheit schlicht ihre Vorstellungen zur Verpflichtung der sie unterhaltenden Minderheit mit ihrer Hilfe durchsetzt. Der Gerechtigkeit wird damit die Bedeutung beigelegt, das von einer Gruppe politisch Gewollte wertmäßig zu antizipieren. So wurde totalitär stets gearbeitet, zuerst werden die Wertmaßstäbe verändert und dann wird ausgegrenzt. Daher wird es höchste Zeit, dass alle klare Worte reden und die Selbstbedienung der Sozialfunktionäre und der ihnen folgenden Politiker am scheinbaren Gerechtigkeitsideal beenden. So gibt es keine (allgemein verbindliche) Gerechtigkeit, die gleiche Einkommens- und Vermögensverhältnisse für alle fordert. Auch gibt es keine Gerechtigkeit, die eine andere Güterverteilung verlangt, als sie sich aus den zu ihrer Schaffung erbrachten Leistungen ergibt. Das sind sozialrevolutionäre Zielsetzungen, die von denen, die die Werte erarbeiten, gerade nicht geteilt werden. Auf der anderen Seite gibt es eine Menge Aufgaben, auf die wir uns in den modernen Staaten geeinigt haben, sie als gerecht zu bezeichnen, wie die Chancengleichheit, vor allem in Bezug auf Ausbildung. Auch gehört eine Sicherstellung der allgemeinen Lebensgrundlagen dazu, wobei aber bereits die Methoden zu deren Ermittlung in Zweifel stehen. Alle diese Zwiste und unterschiedlichen Auffassungen versuchen uns die Sozialpolitiker und –funktionäre mit einer Gerechtigkeitsvorstellung a la Friede, Freude, Eierkuchen zu übertünchen. 02.02.2008

Samstag, 20. April 2013

Wissen als leibliche Antwort des Einzelnen auf das Allgemeine

 

Reihe: Der Anderen Meinung - Die Wahrheit liegt stets in der Mitte

Heideg Sieben vertritt in seinem philosophischen Beitrag die Auffassung, dass das Wissen eine Eigenschaft des Selbstbewusstseins ist, Erkenntnisse beliebig verfügbar zu machen, und seine eigentliche Bedeutung darin besteht, dem Einzelnen und mithin Leiblichen einer jeden Existenz das Allgemeine der ihm zugänglichen Information zu vermitteln. Das Wissen ist ihm die leibliche Antwort des einzelnen Menschen auf das ihm ansonsten nicht Begreifbare einer allgemeinen Information, die jedem Prozess, dem allein das Leben entstammt, zugrunde liegt. Es gilt ihm als Produkt des zum Selbstbewusstsein aufgestiegenen Urbewusstseins, als Ergebnis einer Verallgemeinerung der Wahrnehmung. Die Wahrheit bleibt dabei nur eine Idee, nichts Wahres oder Seiendes kann mit dem Wissen begriffen werden, das ist ihm nun im Fühlen als Einssein wie in der Vereiningung mit möglich.

 
Heideg Sieben:
Wissen, Schlüssel zum Begreifen des Allgemeinen
 
 
Wissen als Beherrschung von Erkenntnissen

Wissen beschreibt die Fähigkeit des Bewusstseins zur beliebigen Verfügung über die Erkenntnisse und ist ab ausreichender Abstraktionshöhe zu Wissenschaft kommunizierbar. Der Inhalt bestimmt sich nach der allgemeinen Belebung der Welt und erschließt die Bedingungen der Prozesswirksamkeit allen Lebens.

Wissen ist im Allgemeinen eine Beschreibung der Fähigkeit des Bewusstseins, sich der Erkenntnisse, die man erlangt hat, beliebig bewusst zu werden. In der freien und jederzeitigen Verfügbarkeit der Erkenntnisse liegt die eigentliche Bedeutung von Wissen. Im Besonderen beschreibt Wissen in einer Bedeutung, wie sie vor allem der Vorstellung von einer Wissenschaft zugrunde liegt, die beliebige Verfügbarkeit aller Erkenntnisse, die eine solche Abstraktionsstufe erreicht haben, dass sie Gegenstand der mittelbaren Kommunikation, also einer Kommunikation mittels Symbole (wie Buchstaben, Worte, Zahlen bzw. ihnen zugeordnete Begriffe), werden oder schon geworden sind. Das ist die formale oder auch funktionale Beschreibung von Wissen. Eine inhaltliche Beschreibung der Vorstellung von Wissen folgt aus dem Zusammenhang des allgemeinen Lebens. Damit ist die sich in einem andauernden Werden auswirkende allgemeine Belebung der Welt gemeint. Wir beschränken uns hier, da es um Eigenschaften des Menschen geht, auf die belebte Welt. Diese wird wie alles andere nur dadurch hergestellt, dass die an den Prozessen, die das Leben bewirken, Beteiligten eine ihnen vorgegebene Information bestimmten Inhalts jeweils umsetzen und sich dabei in Übereinstimmung mit ihr verhalten. Die Prozesse sind Teil eines Werdens. Das Leben selbst ist ein Werden, jedes Leben, auch jedes einzelne Wesen kommt nur dadurch zustande, dass die es bewirkenden Prozesse in Form eines Zusammenwirkens aller Prozessglieder ablaufen und sich dabei stets wiederholen, solange das Lebende lebt. Diese Prozesswirksamkeit allen Werdens (und damit auch allen Lebens) ist das Ergebnis einer bestimmten Information, die für jedes Prozessglied ein bestimmtes Verhalten vorgibt und mit der ein bestimmtes Ziel verbunden ist. Der Vorgang lässt sich als die Errichtung eines Systems umschreiben, das die beteiligten Prozessglieder durch ihr abgestimmtes Verhalten bilden und das, wie jedes System, durch ein ganz bestimmtes Ergebnis definiert wird. Die am Prozess beteiligten Glieder wirken niemals allgemein, sondern stets nur einzeln und konkret und das Erreichen des Prozessziels (dem Zustandekommen eines bestimmten Systems) hängt ausschließlich von der Erbringung jedes einzelnen der Information konformen Verhaltens (Beitrag) ab. Weichen Beiträge einzelner Glieder von der Information ab, so gefährden sie das Prozessergebnis nur insoweit nicht, als in dessen System eine bestimmte Toleranz vorgesehen ist, innerhalb derer Abweichungen von beteiligten Gliedern mit einem besonderen hierauf gerichteten Verhalten anderer Glieder ausgeglichen werden. Verhalten, das außerhalb solcher Toleranzen von der Information abweicht, führt zum Scheitern des Prozesses, was der Mensch in Bezug auf sein eigenes Leben etwa als Krankheit erfährt und wodurch er schließlich den Tod erleidet.


Das durch Wissen beherrschbare Allgemeine der Information

Das Selbstbewusstsein ermöglicht es den Menschen die ihn erzeugenden Prozesse zu erkennen und nimmt die diesen Prozessen zugrunde liegende Information als allgemein und gültig wahr, die Verfügbarkeit der Kenntnisse über dieses Allgemeine ist das Wissen. Wissen steht nicht gleich mit der Information, ist vielmehr die Reaktion auf deren Allgemeinheit, die es für den Einzelnen beherrschbar macht.

Der Mensch erfährt die Prozesswirksamkeit allen Werdens mittels seines Selbstbewusstseins, das ihn die Prozesse, die ihn erzeugen, erkennen lässt einschließlich dieser sich selbst erkennenden Prozesse, und macht sie zur Grundlage seines eigenen Verhaltens in Bezug auf das Verhalten anderer und ihrer Abstimmung untereinander, nach der jeder daran Beteiligter zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort einen bestimmten Beitrag erbringt (sich in bestimmter Weise verhält). Hierdurch bewirken die Beteiligten mit ihrem abgestimmten Verhalten - dies im Sinne eines bestimmten Prozesserfolges - für den Augenblick des Zustandekommens ein bestimmtes Virtuelles, virtuell, also scheinbar, nur deswegen, weil es ausschließlich vom Willen der Prozessbeteiligten zustande kommt und als wirkungslos entfällt, wenn die Beiträge in der jeweils erforderlichen Weise fehlen, etwa weil die Beteiligten ihren Willen ändern. Auf der Grundlage dieser Virtualität entstehen Gesellschaft und Kultur, mithin selber nur als virtuelle Phänomene. Die Prozesswirksamkeit, gleich ob im biologischen oder virtuellen Bereich, beruht auf der ausreichenden Umsetzung der sie bestimmenden Information. Information ist seiner Natur nach stets etwas Allgemeines, das heißt sie ist vom Empfinden und auch der Erkenntnis (die bereits Ergebnis einer eigenen Verallgemeinerung ist) eines Einzelnen unabhängig. Die Allgemeinheit ist gewissermaßen schon in der Natur der Information begründet. Das menschliche Bewusstsein ist nun befähigt, die Prozesse bestimmende Informationen zu erkennen. Solche Erkenntnis nennen wir Wissen. Dabei steht Wissen nicht gleich mit dem Inhalt der Information, deren unmittelbare Bedeutung sich in dem Übergang ihrer spezifischen Inhalte auf den einzelnen Empfänger zum Zwecke ihrer Umsetzung erschöpft, also gewissermaßen eindimensional fortschreitend. Wissen ist vielmehr die physische, also leibliche Antwort auf die begriffliche Allgemeinheit der Information, indem ein Gehirn befähigt wird, als Einzelnes dieser Allgemeinheit gegenüber selbständig zu reagieren. Das ist eine wesentliche Eigenschaft des Selbstbewusstseins. Erst dadurch dass die Allgemeinheit einer Information für den Einzelnen als denkender Mensch beherrschbar wird, entsteht Wissen. Der aufgrund der damit bereits vorgegebenen Allgemeinheit mögliche kommunikative Austausch von Wissen lässt wiederum Wissenschaft entstehen.


Selbstidentität des Informationsempfängers

Die Aufnahme von Information kann zwar als kausaler Vorgang beschrieben werden, die Vorstellung einer Wahrnehmung setzt aber eine Selbstidentität des Aufnehmenden voraus, die auch ein Reagieren auf die Umsetzung des Wahrgenommenen zu erklären vermag, Umstände, die man mit dem Übergang von der unbelebten zur belebten Natur gleichsetzen könnte. Obgleich Zweifel an der Eindeutigkeit solcher Grenze bestehen, lässt sich die Entwicklung zum Selbstbewusstsein nur mit Hilfe der Entstehung einer Vorstellung der Identität verfolgen.

Dies beruht somit alles auf einer Eigenschaft des Selbstbewusstseins, die sich aus der eigenen Struktur der Befähigung zur Wahrnehmung nicht herleiten lässt. Wahrnehmung lässt sich als Erstes als Bewusstwerdung bestimmter Reize begreifen. Diese löst ein ganz bestimmtes, entsprechend einer bereits in dem wahrgenommen Reiz vorliegenden Information vorgesehenes Verhalten des Wahrnehmenden aus. Wir können dieses Modell auch bereits auf die Vorgänge in der unbelebten Natur und deren Entstehen übertragen, auch hier ist jeder Zustand Ergebnis der Prozesswirksamkeit eines Werdens, man denke nur an die Atomtheorien. Wir machen uns das durch die Vorstellung von Ursache und Wirkung begreifbar (wenn bei der Ursache dann in der Wirkung) und bezeichnen die Richtung der Wirkung als kausale Kraft (als Ergebnis einer entsprechend gerichteten Energie). Dieser Vorgang kann aber genauso dadurch beschrieben werden, dass sich entsprechend einer Information (als Bestimmung der Richtung einer Kraft) verhält und hierdurch den Zustand , gegebenenfalls in einem abgestimmten Verhalten mit anderen, herstellt. Eigene Bedeutung erhält diese Unterscheidung aber erst dann, wenn man für den die Information aufnehmenden Teil eine eigene Identität auch in der Wahrnehmung unterstellt, die erst diese selbst als Reaktion auf die vorliegende Information begreiflich macht. Denn in dieser zweiten Erklärung des Prinzips der Kausalität liegt bereits der Ansatz, der bloßen Rezeption der Information als Wahrnehmungsvorgang eine selbständige Bedeutung zu geben, die aber nur auf einer eigenen insoweit postulierten Identität gründen kann. Erst hierdurch gelangt man etwa zu der Vorstellung, die Rezeption der Information als Wahrnehmung zu begreifen, an der weitere nunmehr außerhalb der aufzunehmenden Ausgangsinformation liegende Informationen beteiligt sind und so zu dem Verständnis der Erkenntnis (als Wahrnehmung, Beurteilung und Gültigkeit) zu gelangen. Wahrscheinlich hat man hierbei zugleich die Schwelle von der unbelebten zur belebten Natur überschritten, indem man die Vorstellung einer Informationsrezeptions-und Wahrnehmungsidentität mit dem Kern eines eigenen Wesens verbindet. Dabei muss man sich indessen der Gefahr reiner Begrifflichkeit bewusst sein, indem man Begriffe mit realen einzelnen Vorgängen fälschlich gleichsetzt und hierbei zu zwar begrifflich sinnvollen aber nicht dem Einzelnen entsprechenden Abgrenzungen kommt. Denn das Postulat einer eigenen Wahrnehmungsidentität für den Übergang vom Unbelebten zum Belebten, wie sie sich etwa aus der Vorstellung der selbständigen Korrektur eigenen Verhaltens im Hinblick auf die vorliegende Information und dem entsprechenden Verhalten anderer Beteiligter ergibt, stößt bereits dort auf Widerspruch, wo man auch systemerhaltende Kräfte in der unbelebten Natur nachweisen kann. Auch hier laufen rein kausal beschriebene Vorgänge wiederum unter Einfluss systemkorrigierender ein System stützender Kräfte ab (Grundsatz der Selbsterhaltung von Systemen). Die Zweifel dürften sogar so weit gehen, dass man überhaupt keine eindeutig feststellbare Grenze zwischen dem unbelebten und belebten Bereich nachweisen kann und wir müssen uns darüber klar sein, das wir bereits den Schritt ins Metaphysische des Glaubens lenken, wenn wir die Eindeutigkeit einer belebenden gerichteten Energie als allgemeine Lebenskraft unterstellen. Auf der anderen Seite kann uns die Begrifflichkeit unserer Vorstellungen nicht dazu zwingen, aus der nicht eindeutigen Möglichkeit einer Grenzziehung zu folgern, dass sich in der Informationsaufnahme und deren Erkenntnis und Gestaltung zu Wissen nicht dennoch etwas Wesen veränderndes ereignet und sich dabei eine Vorstellung eigener Identität als grundlegendes Unterscheidungsmerkmal von allem Unbelebten einstellt. Dies besteht in der Annahme einer Einfügung eines Selbstbewusstseins in die Kette der Informationsverarbeitung, ungeachtet der Festlegung des Punkts, wann oder ab welcher Stelle dies geschehen sein mag. Ein solcher Ansatz wäre durchaus mit einer Annahme zu vereinbaren, wonach der Übergang der unbelebten zur belebten Natur fließend wäre.


Vom Urbewusstsein zum Selbstbewusstsein

Das Urbewusstsein umschreibt die Fähigkeit der Aufnahme und Umsetzung der die Welt belebenden Kraft und deren Richtung und enthält im Ansatz bereits eine Identitätsvorstellung und ein unspezifiziertes Realitätsgefühl im Sinne eines "Alles ist real". Seine Wahrnehmung folgt allein dem Falsifikationsprinzip wie auch die Evolution und selbst noch die menschliche Erkenntniskraft von ihm geleitet ist. Es verfügt aber weder über eine Vorstellung von bestimmter Wahrheit noch von Gültigkeit, Eigenschaften, die dem Bewusstsein erst mit seiner Entwicklung zum Selbstbewusstsein zuwuchsen, den Menschen das Allgemeine erfassen ließen und infolge einer endlosen Spiegelungsfähigkeit des Erkannten zu einer exponentiellen Zunahme des Wahrgenommenen führten.

Wir haben an anderer Stelle bereits von einem Urbewusstsein gesprochen, das die Aufnahme der Richtung der die Welt belebenden Kraft ermöglicht. Definitionsgemäß kann man dessen Beginn mit dem Beginn der Belebung gleichsetzen, ohne indessen dies zeitlich oder örtlich eingrenzen zu können. Der Annahme eines Urbewusstseins liegt bereits die Vorstellung einer Selbstidentität als Träger dieses Bewusstseins zugrunde. Es ermöglicht ihm neben der Wahrnehmung auch schon eine Betrachtung dieser Wahrnehmung und eine Abgleichung mit anderem Wahrgenommen, was vor allem zur Korrektur eigenen Verhaltens und Abstimmung mit dem Verhalten anderer Beteiligter erforderlich ist. Ob aber bereits damit eine Realitätsvorstellung verbunden sein muss, erscheint zumindest als fraglich. Denn es würde allein die Falsifikation in der Weise ausreichen, dass bei einem der umzusetzenden Information nicht entsprechenden Verhalten, dies auch im Hinblick auf das Verhalten anderer Prozessbeteiligter, sich der handelnde Einzelne zwar der Abweichung als Irrtum (im Sinne einer Falsifikation) bewusst wird und hierdurch eine ggf. auch weitere Korrektur seines Verhaltens auslöst, ohne sich indessen hierbei über die Gültigkeit der "Erkenntnis" ebenfalls bewusst zu werden. Diese Art einer Erkenntnisgewinnung ist die der Evolution und selbst der menschliche Erkenntnisprozess wird hiervon bestimmt. Das heißt des Menschen Erkenntnisfähigkeit leitet sich letztlich schon von den Eigenschaften eines Urbewusstseins her und bedarf -noch- nicht des Selbstbewusstseins, aber auch noch nicht der Annahme einer Wahrheit, also einer Gültigkeit. Es reicht bereits ein allgemeines und noch nicht gerichtetes Realitätsbewusstsein, mithilfe dessen man allem, was man wahrnimmt, sei es endogen oder exogen (außerhalb seiner oder in sich verursacht), Gültigkeit im Sinne einer Realität beilegt. Diese Art einer Erkenntnisstruktur und damit auch die Evolution selbst setzt noch keine besonderen Eigenschaften eines Selbstbewusstseins voraus und, das gilt es ganz besonders zu betonen, das Selbstbewusstsein ist auch nicht im Sinne einer Notwendigkeit in dieser Struktur bereits angelegt und folgt ebenso wenig aus dieser Struktur. Andererseits kann es durchaus sein, dass sich eine ungerichtete Realitätsvorstellung (im Sinne eines Alles ist gültig) auch, wie ja alle übrigen Eigenschaften, im Selbstbewusstsein fortsetzt, dort aber durch ihre Ausrichtung infolge einer gezielten Beurteilung eine neue Qualität entwickelt. Das Selbstbewusstsein wurde hier stets als Fähigkeit des Erkennens des eigenen Erkenntnisprozesses im Sinne sich gegenüberstehender endlos spiegelnder Spiegel gedeutet, bei dem sich seine Fähigkeiten auf jeder Ebene der Spiegelung wiederholen. Hierzu ist der Mensch (ohne davon andere Wesen ausschließen zu wollen, was sich jedenfalls augenblicklich noch unserer Erkenntnis entzieht) dadurch befähigt, dass er eine Vorstellung von einer allgemeinen Gültigkeit besitzt, das ist die Wahrheit. Auch die (richtungslose) Realitätsvorstellung des Urbewusstseins ist bereits Teil dieser Wahrheit, etwa ermöglicht sie so erst die Vorstellung einer Gegenwart und damit von der Zeit überhaupt und ebenso die eines Ortes und damit auch die des Raumes. Das Besondere des Selbstbewusstseins besteht im Hinblick auf ihre theoretische unendliche Spiegelungsfähigkeit, dass hierdurch das Realitätsvermögen und damit die Vorstellung von der Wahrheit in jedem konkreten einzelnen Vorgang der Spiegelung aufscheint und damit in jedem Einzelnen ihre Allgemeinheit und damit ebenso ihre allgemeine Gültigkeit begründet, eine Art Exponentialisierung des einzelnen Realitätserlebnisses. Das aber ist etwas Besonderes, dass nicht bereits in der einfachen Erkenntnisstruktur eines Urbewusstseins angelegt ist und dessen es gerade auch nicht zur Begründung der Evolution bedarf.


Erkenntnis ohne inhaltliche Wahrheit

Die Vorstellung der Wahrheit hat für die Erkenntnis nur methodische Bedeutung und ändert nichts am Prinzip der Erkenntnis allein durch Falsifikation, indessen erweitert ihre Methode die Basis der Beurteilung des Irrtums. Die Möglichkeit der Selbstbespiegelung und damit der methodischen Erkenntnis auf jeder Stufe wiederholen zu können, eröffnet ein unbeschränktes Abstraktionspotential, das die Fähigkeiten der Kommunikation vollends erst begründet.

Die hierbei sich aufgrund der Eigenschaften des Selbstbewusstseins einstellende Vorstellung einer (notwendigerweise allgemeinen und gültigen) Wahrheit, bedeutet nicht, dass damit im Menschen ein Instrument geschaffen worden wäre, ihm die Wahrheit konkret, das heißt im einzelnen Ergebnis auch aufzuzeigen. Mit einer solchen Eigenschaft würde er selbst zu einem Allgemeinen und damit auch zum Göttlichen, solche Eigenschaften aber sind dem Werden seines Lebens verschlossen. Das Erkenntnisvermögen des Menschen bleibt beschränkt, wie auch das in der Evolution, auf die Möglichkeit der Falsifikation, also einer Erkenntnis allein des Irrtums. Aus der bereits erwähnten Exponentialisierung des Realitätserlebnisses und damit der Begründung einer Vorstellung von Wahrheit folgt indessen ebenso eine Exponentialisierung der Erkenntnisse in Form der Begründung von Wissen und Wissenschaft, die allesamt aber nur die Basis zur Erkenntnis des Irrtums erweitern. Wissen sammelt die Erkenntnis des Irrtums und das Selbstbewusstsein erlaubt infolge unbegrenzter Spiegelungen die Bildung von Theorien im Sinne von Möglichkeiten zur Erklärung der einzelnen Wahrnehmung bis hin zu allen Wahrnehmungen. Dies wäre ohne Vorstellung einer allgemeinen Gültigkeit im Sinne einer Wahrheit nicht möglich, noch weniger deren Kommunizieren (und damit auch eines feed backs) zu Wissenschaften. Im Wissen und in den Wissenschaften sind die Wahrheit daher als Methode implementiert, ohne dass sie die Wahrheit jemals besitzen könnten. Nunmehr sind Menschen in der Lage, sich in einem weitaus größeren Umfang als im allein biologisch bedingten Umfeld mit anderen ihre Erkenntnisse und damit Informationen mitzuteilen und sich zur virtuellen Erzeugung ihrer Vorstellungen entsprechender Zustände abzusprechen. Kultur und Gesellschaft beruhen hierauf, als deren Teil auch die Technik, mit der die Erkenntnisse über die Informationen, die der unbelebten und vermutlich zunehmend auch der belebten Natur zugrunde liegen, bei Nachbildungen verwertet werden. Hier kommt nun eine weitere dem Selbstbewusstsein angehörende Eigenschaft hinzu, die zu einer erneuten Exponentialisierung der nur denkbaren Möglichkeiten führt, der Freiheit des Willens.


Der freie Wille als Eigenschaft des Selbstbewusstseins

Der freie Wille ist eine Eigenschaft des Selbstbewusstseins und folgt aus der durch dieses Bewusstsein eröffneten Möglichkeit, eine Wahrnehmung und damit auch Erkenntnis auf jeder Stufe zu spiegeln. Dort kann zugleich ein jeder Wille wirken, dessen Kraft gerichtet wird aus dem Wunsch, dem von einem Willen erzeugten Unbehagen zu entkommen. Der Wille ist eine notwendige Funktion des Realitätsbewusstseins, dem er eine Richtung gibt.
In der Freiheit des Willens spiegelt sich die universelle Plastizität der Energie ebenso wie im Selbstbewusstsein.

Auch der Wille, ist wie alles andere, was wir an uns wahrnehmen, eine Funktion unseres Lebens, ein Ergebnis dessen Werdens und damit eine Eigenschaft unseres Leibes. Die Willenskraft gründet auf dem Unbehagen, denn diese Kraft wirkt in uns dadurch, dass sie Unbehagen hervorruft, dem wir, wenn wir die von der Kraft gewiesene Richtung folgen, zu entkommen und das zudem wir noch in Wohlbefinden zu verwandeln suchen. Der Schlaf ist nichts anderes als die Ruhe von dieser Kraft und Träume brechen mit unterschiedlichem Gewicht dort stets ein, auch um die Kraft selbst zu schärfen. Meditative Übungen schaffen ebenso ein wenig Ruhe von den unbehaglichen Wirkungen dieser Kraft, natürlich ebenso manche Trägheit und ebenso Räusche, die unseren Willen darin erlahmen, nach Wohlbefinden zu streben, weil sie dieses ihm zu verschaffen vorgeben. Die Willenskraft ist gerichtet durch das Leben, also dem Zweck der allgemeinen Belebung unserer Welt. Sie kann indessen eine jede Richtung einnehmen, denn sie stellt nur einen Mechanismus dar, eine Art Funktion, in die der Mensch mit seinen Entscheidungen einen der Parameter eingibt. Der Willen des Menschen indes ist frei. Diese Freiheit aber folgt aus nichts anderem als dem Selbstbewusstsein. Sie spiegelt die universelle Plastizität der Energie. Energie selbst begreifen wir als etwas Allgemeines und noch nicht Gerichtetes, der alle Möglichkeiten des Wirkens (auch Bewirkens) innewohnen und die ergriffen werden, indem die Energie zu bestimmten Kräften formiert die so bestimmte Richtung einnimmt. Nicht anders verhält es sich mit dem Willen, der als gedankliche Potenz auf der Grundlage seiner ihn selbst und das Denken bestimmenden Bedingungen (wie nach Kausalität, Grund und Verneinung) jede Ebene einnehmen und mit seinen Fähigkeiten beleuchten und auf ihr auch beschließen kann. Der freie Wille folgt der Fähigkeit des Selbstbewusstseins zur Selbstbespiegelung und ebenso der einer Erkenntnisgewinnung auf jeder nur "denkbaren" Stufe. Es ist ein und derselbe Prozess. So wie ein Jedes Erkannte und Gedachte überhaupt immer wieder zum Gegenstand sich seiner Selbst und dessen jeweiligen Zustandes bewusst werdender Spiegelungen gemacht werden kann, kann diese Wahrnehmung beurteilt und auf Gültigkeit überprüft werden. Mit dieser Prüfung kann ebenso ein jeder Wille verbunden werden. Man kann den Willen bereits als notwendige Funktion des Realitätsbewusstseins definieren, als eine Eigenschaft, an der Wirklichkeit teilzuhaben. Erst durch den Aufstieg des Urbewusstseins zum Selbstbewusstsein, als Bewusstsein seiner selbst, wächst mit der Exponentialisierung der Erkenntnisse und damit auch der Selbsterkenntnisse dem Willen als mögliche Teilhabe an der Realität seine universelle Freiheit zu.


Verallgemeinerung der Wahrnehmung zur Willensfreiheit

Erst durch den dem freien Willen immanenten Wunsch, Erkanntes auch real zu vollziehen, gewinnt selbst bewusst Gewordenes eigene Realität. Daher ist Freiheit eine notwendige Voraussetzung für Wissen und Wissenschaft, deren eigentliche Bedeutung nur durch die Möglichkeiten des Selbstbewusstseins begründet wird. Die Freiheit hier zu beschränken, entzieht dem Wissen den Boden. Das Selbstbewusstsein beruht auf der Verallgemeinerung der Wahrnehmung und die Freiheit auf die Übernahme dieser Verallgemeinerung durch den Willen, das Wissen ermöglicht dem einzelnen und leiblich gebundenen Menschen im Einzelnen das Allgemeine zu begreifen.

Dadurch dass der freie Wille als notwendige Konsequenz aus der Entwicklung des Urbewusstseins zu einem Selbstbewusstsein folgt oder genauer eine dessen tragenden Eigenschaften geworden ist, kommt dieser Freiheit eine nicht weniger entscheidende Bedeutung auch bei der Bildung von Wissen und seiner Kommunizierung zu Wissenschaften zu. Erst durch die Freiheit des Willens, also der Vorstellung dem jeweils Gedachten und Erkannten, gleich wie es zustande gekommen ist, eine reale Bedeutung zu verschaffen, vervielfältigt sich der Umfang eines infolge des Selbstbewusstseins möglichen Wissens in der geschilderten Weise. Aus diesem Grunde ist die Willensfreiheit eine notwendige Bedingung für die Bildung und Nutzung von Wissen, wie ebenso die politische Freiheit (dies im Abstrakten und Virtuellen) eine nothwendige, das heißt unverzichtbare Bedingung für die Wissenschaften ist. Die Vorstellung, den Inhalt von Wissen und Wissenschaft durch Vorgaben, seien sie ethischer, ökonomischer oder politischer Natur, inhaltlich bestimmen oder auch nur binden zu können, ist nicht mit der die Willensfreiheit beherrschenden Allgemeinheit vereinbar. Dies käme der Vorstellung gleich, ein Feuer aus Gründen des Feuerschutzes zum Erlöschen zu bringen, um sich gleichwohl an ihm zu wärmen. Wissen steht an der Schwelle zum Allgemeinen, das in Form von Information auf den Einzelnen in seiner leiblichen Existenz trifft. Der Idealismus weist der Wahrnehmung des Allgemeinen in Form von Wissen als dem Einzelnen verfügbare Information selber eine eigene allgemeine Bedeutung zu und glaubt darüber, dem Gedachten Realität, mithin Gegenständlichkeit zu verleihen. Tatsächlich ist es allein sein Verhalten und das anderer Einzelner, die hierdurch der der Information entnommenen Idee die ihr zugeordnete Wirkung beilegen. Durch den gedanklichen Kunstgriff, diese Wirkungen dem Begriff, also etwa der Idee, letztlich also der Information, zuzuordnen und zugleich diesem damit ebenso die eigentliche Realität zuzuweisen, will man dem Wissen einen eigenen allgemeinen Inhalt zuzukommen lassen. Damit wird Wissen instrumentalisiert und in dieser Weise auch zum messbaren Gegenstand für andere Zwecke gemacht. Hierauf gehen Ansinnen zurück, Wissen und Wissenschaft zu ideologisieren und zugleich auch besonderen ethischen Anforderungen zu unterwerfen. Wie der Idealismus überhaupt beruht aber dies auf der Verwechslung von Ursache und Wirkung. Ursache ist die Information, deren Eigenschaften allgemein sind, Wirkung ist jeweils das Verhalten eines Einzelnen, das niemals allgemein ist, auch dann nicht, wenn es das Ergebnis des Zusammenwirkens vieler Einzelner ist, denn gegenständlich und real kann stets nur Einzelnes etwas bewirken. Ein Allgemeines kann nur über die Information des Einzelnen Wirkungen zeitigen und dies wiederum nur im Einzelnen. Aus diesem Grund kann eine Information als solche und damit auch nicht das Wissen nicht unmittelbar an irgendwelchen vorgegebenen Maßstäben gemessen und hierdurch bedingt werden. Solche Anforderungen können erst gestellt werden, wenn das Allgemeine des Wissens zum Einzelnen der sie umsetzenden Beteiligten gewandelt wird. Deswegen sind Wissen und Wissenschaft frei und ihre Inhalte können nicht darauf hin ausgerichtet werden, in welcher Weise der Einzelne das Wissen verwenden mag. Daher leiden Wissen und Wissenschaft auch stets, wenn, aus welchen Gründen auch immer, versucht wird, ihre Freiheit zu beschränken. Es verhält sich nicht anders als mit der Gedankenfreiheit, die jede gedankliche Möglichkeit umfasst, selbst die wunderlichsten und ebenso die widerlichsten, dennoch eine Eigenschaft, die Menschen erst zu einem gesetzten Normen gerechten Verhalten (dies wiederum im Einzelnen) befähigen. Dies alles ist zwingend und vorgegeben, denn die Freiheit korrespondiert mit dem Allgemeinen und ein wirkliches Allgemeines wäre nicht allgemein, wäre es durch irgendetwas beschränkt. Das Selbstbewusstsein erklärt sich aus der Verallgemeinerung der Wahrnehmung, hier erläutert an der Metapher der sich ewig spiegelnden Spiegel, keine der Spiegelungen ist durch ethische, politische oder sonstige Anforderungen beschränkt, sonst wären sie nicht endlos und allgemein. Demselben Allgemeinen entstammt die Freiheit des Willens mit seiner Potentialität zur Spiegelung eines jeden Gedankens. Wissen macht alle hierbei entstehenden und entstandenen Wahrnehmungen beliebig wiederherstellbar, mithin erfahrbar, in kommunizierter Form schließlich als Wissenschaft. Wir stoßen hier auf Zusammenhänge, die über das Einzelne eines jeden Werdens, dem allein das Leben entstammt, weit hinausgehen.


Wahrnehmung und Erfahrung des Allgemeinen

Die Information, wie sie etwa den Leben bewirkenden Prozessen zugrunde liegt, ist selber nicht sterblich, anders als das Werden benötigt sie weder einen Anfang noch ein Ende, sie hat daher Teil am Allgemeinen des Seins, das ist und nicht wird. Sie liegt auch der allgemeinen Belebung der Welt zugrunde, deren Teil das einzelne Leben ist, das aber über es hinausweist, nicht anders als die Information. Das Bewusstsein als solches ermöglicht dem Einzelnen die Wahrnehmung der Information, aber erst das Selbstbewusstsein schafft die Dimension zur Wahrnehmung des Allgemeinen, eine Idee, der der Mensch die Vorstellung von Zeit, der Wahrheit und des Glücks entnimmt. Das Wissen führt ihn zur Grenze des Allgemeinen, erleben kann er es aber nicht dessen Hilfe, wenn überhaupt, dann allein mit dem Gefühl.

An anderer Stelle wurde die Information, die selber eine der Grundlagen eines jeden Lebens ist, diesem wegen der Sterblichkeit allen Lebens gegenüber gestellt. Jedes Leben ist ein Werden, jedes Werden hat einen Beginn und dann ein Ende, wenn die an den es begründenden Prozessen beteiligten Glieder sich nicht mehr entsprechend der vorgegebenen Information verhalten. Die Information selber indessen, wie sie uns etwa als genetische Anweisungen bekannt ist, ist nicht das Ergebnis eines Werdens und bedarf deswegen auch keines Anfangs oder keines Endes (ungeachtet der Fähigkeit des menschlichen Verständnisses sich alles nur als Prozessergebnisse vorstellen zu können). Wenn wir von dem Beginn oder dem Ende einer Information sprechen, dann meinen wir in Wirklichkeit die materiellen Träger der die Information repräsentierenden Symbole. Diese Träger, wie Papier oder auch Zellen und deren Gewebe sind prozessabhängig, entstammen also einem Werden und verlieren ihre Eigenschaften, wenn die sie bewirkenden Teile sich nicht mehr getreu der für sie selbst geltenden Informationen entsprechend verhalten. Die Information indessen kann beliebig von einem Träger auf einen anderen übertragen werden, was ein technisches und kein informelles Problem ist. Somit erleben wir Information als etwas, das über ein einzelnes Werden hinausweist, das zudem nicht sterblich ist. Daher können wir etwa genetische Codes auch körperlichen Resten ehemals lebender Lebewesen, soweit noch vorhanden, entnehmen und damit die das Leben der Spezies bestimmt habenden Informationen aufdecken. Wenn wir die allgemeine Belebung der Welt, wovon jedes einzelne lebende Wesen nur ein Teil ist, als einen eigenen selbständigen Vorgang begreifen, dann ist es die Information, die dieses Allgemeine kennzeichnet und das Einzelne mit diesem Allgemeinen verbindet, genauer das Einzelne Teil des Ganzen werden zu lassen. Das einzelne Leben trägt mit seinem Werden zu dieser Belebung ebenso örtlich durch sein Bewirktsein wie zeitlich durch seine Fortpflanzung bei. Im Wesen der Information findet der Einzelne somit etwas ihm Vorgegebenes und ebenso über ihn Hinausweisendes, beides Eigenschaften, die keinem Werden entstammen können, dieses aber bedingen und bestimmen. Das ist das Allgemeine des Seins, also desjenigen, das ist und von keinem Anfang abhängt und aus sich heraus kein Ende kennt. Richtig, höre ich die Vertreter des Idealismus rufen, deswegen finden wir, sagen sie uns, das Allgemeine, Bleibende und damit Seiende in der Idee und nicht im gegenständlichen Werden. Gefehlt erwidern wir, denn ihr sprecht vom Wissen und nicht von der Information. Denn Wissen macht als menschliche, mithin leibliche Eigenschaft, für den Einzelnen die Information überhaupt erst beherrschbar. Wissen ist, wie oben ausgeführt, die Fähigkeit, Wahrgenommenes beliebig wieder wahrzunehmen, was aber nicht der Wahrnehmung ein eigenes Leben einhaucht, aber gleichwohl im Idealismus hinsichtlich der aus Wissen hergeleiteten Ideen behauptet wird. Dies ist die bereits erwähnte trickreiche idealistische Vorverlagerung. Wissen führt uns als Instrument zur Beherrschung unserer Wahrnehmungen zur Grenze des Allgemeinen und damit auch zu dessen Wahrnehmung. Dass wir auf diesem Wege das Allgemeine überhaupt wahrnehmen können und nicht nur wie blind ins grenzenlose Weite oder auch gelähmt auf eine sich endlos im Raum erstreckende Mauer starren, verdanken wir den Fähigkeiten des Selbstwusstseins, mit dem Allgemeinen in Form unserer Freiheit, mithin mit einer Auswirkung der universellen Plastizität der Energie umgehen zu können - und sei es nur, dem Menschen eine Idee vom Allgemeinen zu verschaffen, mit dem viele das Göttliche gleichsetzen und weswegen sie daher mit ihren allein im Leiblichen begründeten Möglichkeiten versuchen, das Göttliche hierüber zu be- und schließlich auch zu ergreifen. Dieser Wahrnehmung entnehmen wir die Vorstellung von einem Sein und erfahren so Zeit (über die Fiktion einer Gegenwart), Wahrheit (als Garant der Übereinstimmung mit der Realität) und Glück (als Wahrnehmung eines bedingungslosen Zustands eines Seins). Das Wissen, dem wir die Möglichkeit des Umgangs mit der Vorstellung und auch dem Eindruck des Allgemeinen verdanken, erstarkt aber niemals zu eigener Realität und Geltungskraft, es bleibt für die Menschen ausschließlich deren eigenen Bedingungen unterworfen. Deswegen kann das Wissen dem Menschen nie den Weg zum Göttlichen weisen oder ihm gar ein Göttliches zeigen, da steht nach Hesiod schon der Gott Eros davor. Wissen ebenso wie Wissenschaft dienen der Erkenntnis, eine Erkenntnis von einem Sein aber ist dem Menschen um seiner Menschlichkeit willen entzogen oder auch verbaut oder auch nur nicht möglich. Erst wenn er das Wissen hinter sich lässt und nur noch dasjenige wahrnimmt, das ihm letztlich von allem erst ein Fühlen verschafft, kann es ihm gelingen, sein Fühlen zu einem Teil eines gefühlten Allgemeinen zu machen, um sich mit ihm zu vereinigen und worin er höchste Glücksseligkeit zu finden vermag.